8
Feb
2009

Glaube ist heilbar

Seit dem Amtsantritt von Papst Benedikt XVI. sind die radikalen Hardliner in der katholischen Kirche im Aufwind. Nun besinnt sich der Vatikan wieder auf seine Lieblingsfeinde: Juden und Schwule.

Kompliment: Katholische Würdenträger sind gradiose Schauspieler. Als am 31. Jänner der erzkonservative Gerhard Wagner vom Vatikan zum neuen Weihbischof in Linz ernannt wurde, gab sich der Bischof der Diözese Ludwig Schwarz demonstrativ gut gelaunt: "Ich danke Gott und freue mich darüber, dass ich durch den Papst einen Weihbischof erhalten habe, der für mich und für die Diözese, wie ich es hoffe und wünsche, eine echte Hilfe sein wird."

Gut gespielt, möchte man meinen, denn laut ORF hatte er vor der Ernennung eine Wunschliste mit mehreren Kandidaten nach Rom geschickt. Gerhard Wagner stand nicht darauf. Und wurde trotzdem ernannt. Bischof Schwarz biss die Zähne zusammen - und nickte Benedikts Entscheidung lächelnd ab, auf die er ohnehin keinen Einfluss hatte.

Seit Benedikts Amtsantritt hat die Katholische Kirche einige große Schritte nach rechts gemacht. Derzeit schlägt sie sich mit der breiten Empörung herum, die sie sich durch die Wiederaufnahme des Holocaust-Leugners Richard Williamson selbst eingebrockt hat. Kaum eine Woche ernannt, eröffnet der neue Linzer Weihbischof nun die nächste Front. Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Profil besinnt er sich zurück auf andere Lieblingsfeinde der Katholischen Kirche: Die Schwulen und Lesben. Homosexualität sei heilbar, behauptet Wagner, "Dafür gibt es genügend Beispiele". Und teilt aus: Homosexuelle hätten sich gefälligst an das Wort Gottes zu halten, sich zu bekehren, und wer nicht zugebe, dass er unter seiner Neigung leide, sei ein Lügner. Das wurde sogar der Profil-Redakteurin zur bunt - sie rief Wagner im Interview zur Ordnung.

Damit kramt Wagner wieder einmal die alte Geschichte von der Schwulen-Heilung aus der staubigen Lade heraus. Der Glaube, dass Schwule und Lesben arme behandlungsbedürftige Geisteskranke sind, ist ja nichts neues. Seit Sigmund Freud bastelten Psychiater an Therapien herum, die Homosexuelle von ihrer Krankheiten befreien sollten. Schließlich wussten die Psychologen aus unzähligen Therapiestunden, wie dreckig es ihren homosexuellen Patienten teilweise ging. Also versuchen sie, die Veranlagung zu heilen. Bei der Wahl der Methoden waren die Psychiater nicht nicht gerade zimperlich. Sie zeigten ihren Klienten Porno-Bilder von gleichgeschlechtlichem Sex, und wenn sich Erregung einstellte, trieben sie diese durch Elektroschocks und Medikamente, die Übelkeit verursachten, zwangsweise wieder aus.

Die Erfolge dieser brachialen Holzhammermethode waren aber kläglich. Doch erst in den 70ern dämmerte den Forschern aufgrund neuer Studien, dass ihre Patienten vielleicht gar nicht so sehr darunter litten, homosexuell zu sein - sondern mehr darunter, wie die Gesellschaft mit ihnen deshalb umsprang. Homosexualität wurde aus der offiziellen Liste der Geisteskrankheiten gestrichen - und folgerichtig eine neue Erkrankung eingeführt: Die Ichdystone Sexualorientierung. Daran leidet jemand, der homosexuell oder bisexuell ist - aber so viel Angst davor hat, das auszuleben, dass sie oder er sich umpolen lassen will.

Mit wissenschaftlichen Erkenntnissen steht die Kirche ja schon länger auf Kriegsfuß. So auch in diesem Fall. Sie änderte einfach ihre Taktik. Irgendjemand muss wohl den Absatz über Homosexualität in der Bibel noch mal nachgelesen haben - und stolperte über den Römer-Brief des Paulus. "Sie wussten, dass es Gott gibt, aber haben ihn nicht gepriesen...", heißt es da, und weiter: "Deshalb hat Gott sie hingegeben in schändliche Lüste... die Männer haben den natürlichen Brauch des Weibes verlassen und haben sich aneinander erhitzt an ihren Lüsten und haben Mann mit Mann Schande getrieben..."

In heutigem Deutsch: Paulus glaubte, dass Gott die Menschen für ihre Lieblosigkeit strafte, indem er sie zu Lesben oder Schwulen machte. Homosexualität war also kein strafwürdiges Delikt, sondern an sich schon eine Strafe. Eine Steilvorlage für die Oberen der Katholischen Kirche, die nun die Homosexuellen nicht mehr als gemeingefährliche Irre scholten, sondern als arme Sünder, die von Gott eine besonders schwerwiegende "Anomalie" auferlegt bekommen hatten - die Gefühle nahm man ihnen jetzt ab, nur ausleben durften sie diese natürlich weiterhin nicht.

Die Evangelische Kirche versuchte es ein wenig liberaler. In Deutschland dürfen in zehn der 22 evangelischen Landeskirchen mittlerweile auch homosexuelle Paare gesegnet werden (nicht zu verwechseln mit einer kirchlichen Heirat). Doch es gibt noch immer genügend Protestanten, die das anders sehen. Der württembergische Verein Wüstenstrom versucht seit Jahren, Homosexuelle gesundzubeten. Mit wechselndem Erfolg. Der Gründer Günter Baum ist nach kurzer Zeit bei Wüstenstrom ausgestiegen, und der jetzige Vereins-Chef Markus Hoffmann zankt regelmäßig mit Kritikern und schmollt.

In dem Licht betrachtet bekommt die Ernennung des Weihbischofs Gerhard Wagner in Linz eine ganz neue Bedeutung: Es kann kein Zufall sein, dass gerade auf ihn die Wahl fiel. Das sieht er übrigens auch selbst so. Im Profil-Interview wurde er gefragt, wieso gerade er ernannt wurde, obwohl er doch angeblich gar nicht um den Job gekämpft hatte. Seine Vermutung lautete: Der Papst hätte wohl ausgerechnet ihn geschickt, weil es in der Diözese einfach zu viel Widerstand gegen Rom gibt.

Man könnte natürlich einfach den Kopf schütteln angesichts von so viel Ignoranz. Ich persönlich ziehe es vor,die Aussagen des Bischofs ein wenig abzuwandeln.

Ist Glaube heilbar? Ja, dafür gibt es genügend Beispiele.

Link: www.kirchenaustritt.at

Nachtrag: Der junge Grüne Georg Prack aus Wien hat eine interessante These zu den derzeitigen Ausfällen katholischer Gottesdiener: Er glaubt, dass es der Kirche - auch wenn sie sich jetzt von Wagner, Williamson und Co. distanziert - gar nicht so unrecht ist, dass die konservativen Hardliner nun an die Öffentlichkeit gehen. Sein Beleg: Der Weihbischof Wagner hätte schließlich jahrelang als Religionslehrer und Pfarrer in der Gemeinde Windischgarsten werkeln und dort ungestört seinen Schmonsens verbreiten dürfen. Was den Verdacht weckt, dass er jetzt nur losgeschickt wurde, damit möglichst viele liberal denkende Katholiken endlich entnervt austreten.

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