11
Feb
2009

Priester psychisch krank?

Zwei Tage, nachdem Bischof Wagner behauptet hat, Homosexualität sei heilbar, wagen sich nun weitere Kirchenmänner aus der Deckung. Der Vorarlberger Bischof Fischer, im Nebenberuf Psychotherapeut, bezeichnet Schwule und Lesben als "psychisch krank".

Es wird immer wieder befremdlich, wenn ein Geistlicher, der ja ans Zölibat gebunden ist, über Sexualität spricht - fast so, als würde ein Blinder bei einem Spaziergang über die Schönheit der Landschaft schwärmen. Es gebe Literatur zu diesem Thema, meint Fischer - wider besseres Wissen.

Tatsächlich gibt es genau zwei Autoren, die diese These vertreten: Joseph Nicolosi und den Holländer Gerard van den Aardweg. Ihnen entgegen stehen praktisch alle sonstigen Psychologen (wobei keiner so genau sagen kann, wie viele mit ihnen sympathisieren).

Das Problem: Beide Autoren sind wissenschaftliche Beweise für ihre These bis heute schuld geblieben. Und: Beide sind streng gläubige Christen. Schon allein deshalb kann man annehmen, dass ihre angeblichen Forschungsergebnisse nicht sehr ernst zu nehmen sind.

Nun könnte man das einfach ignorieren, und feststellen, dass jeder Mensch für sich selbst entscheiden muss, ob er seine Homosexualität annehmen will oder den Versuch unternimmt, sich von jemandem umpolen zu lassen.

Ganz stimmt das aber nicht. Es gibt mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass viele Lesben und Schwulen - vor allem Jüngere - sich hin- und hergerissen fühlen - einerseits kennen sie ihre Gefühle besser, als jeder andere (und somit auch Nicolosi und Co) - und haben andererseits den äußeren Druck, das nicht fühlen zu dürfen. Anders sein zu müssen. Weil es die Bibel verlangt oder der Psychotherapeut.

Es gibt auch Untersuchungen, die zeigen, dass jeder zehnte Schwule als Teenager versucht, sich aus diesem Druck heraus das Leben zu nehmen (Nachtrag: Im Buch "Versteckspieler" von Ronny Blaschke habe ich eine andere Zahl gefunden: Die Suizidrate homosexueller Jugendlicher soll vier Mal so hoch sein wie bei heterosexuellen). Ob Leute wie Bischof Fischer wirklich darüber nachgedacht haben, was sie anrichten, wenn sie einem Teenager sagen, seine Gefühle, seine erste Verliebtheit, seine ersten Hoffnungen, seien Ausdruck einer psychischen Krankheit?

Ich zweifle daran. Aber wahrscheinlich ist ihnen das scheißegal. Vermutlich denken sie: Wenn wir Priester schon keine glückliche Beziehung haben können, dann brauchen andere das auch nicht. Den meisten Menschen können wir's nicht verbieten (ihnen aber wenigstens ein schlechtes Gewissen einreden!), aber bei einer kleinen Minderheit ist das kein Problem - wehrt sich doch eh keiner von diesen Waschlappen dagegen.

Meine These: Die jahrelange Abstinenz und das spätere heimliche Brechen des Zölibats (wir wissen alle, dass das passiert) führen unweigerlich zu geistiger Umnachtung. Nachvollziehbar, wenn man sich vorstellt, mal selbst zwanzig, dreißig Jahre auf Sex und Liebe zu verzichten.

So gesehen sind die meisten Priester wohl psychisch krank.

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